****** Eine einschneidende Personalmaßnahme vollzog sich bei den Rolling Stones im Juni 1969: Gitarrist Brian Jones verließ die Band und wurde durch Mick Taylor ersetzt. Wer geglaubt hatte, die Stones seien ohne Brian am Ende, der sah sich getäuscht. Zum einen hatte Brian zum bisherigen Gesamtwerk der Stones so gut wie nichts beigetragen (außer, daß er das Böse-Bube-Image durch Sex & Drug & RockNRoll entscheidend mitgeprägt hatte) und zum anderen war der damals 21 Jahre alte Mick Taylor der wesentlich bessere Gitarrist. Wenige Wochen nach seinem Ausstieg, am 03.07.1969 fand man Brian tot in seinem Swimmingpool. Nach seinem Tod erschien mit Joujaka sein einziges Solowerk, das eher skurill als ein ernsthaftes Solowerk darstellt. Viele Fans beäugten die Stones nach dem Ausstieg von brian eher kritisch, bis sie dann die ersten Takte des neuen Albums Let It Bleed hörten. Das Album beginnt gleich mit einem echten Knaller: Das hochexplosive Gimme Shelter gehört meines Erachtens zu den besten Stücken, die Mick Jagger und Keith Richards je geschrieben haben. Das Stück beinhaltet alles, aber auch wirklich alles, was einen packenden Rocksong auszeichnet. Hier haben die Stones all ihre Kräfte gebündelt und einen Rocksong eingespielt, der seinesgleichen sucht. Ein treibender Rhythmus, Micks kraftvoller Gesang, seine kurzen, aber unglaublich geilen Mundharmonikaeinlagen, ein tolles Gitarrensolo und eine wie aufgedreht erklingende Frauenstimme im Hintergrund sorgen für einen der besten Stones Songs überhaupt. Und nebenbei klingt Gimme Shelter wie eine Vorlage für den damals aufkommenden Hard- und Heavyrock (Wer das nicht glaubt, sollte sich unbedingt einmal die unglaublich treibende Version von Grand Funk Railroad aus dem Jahre 1971 anhören/reinziehen). Kaum ist Gimme Shelter verklungen, da spielen die Stones mit Love In Vain einen langsamen Blues, der so klingt, als hätten sie ihn irgendwo im tiefsten amerikanischen Süden aufgenommen. Country Honk ist nichts weiter als eine Lightversion ihres 69er Superhits Honky Tonk Women. Eine Fidel und eine Bottleneck-Gitarre sorgen für eine besondere Atmosphäre. Mit Live With Me beweisen die Stones, daß sie nicht ganz auf den Blues gekommen sind. Das donnernde Live With Me besticht vor allem durch ein unglaubliches Saxophonsolo, was damals in der Rockmusik eher selten war. In Let It Bleed spielen die Stones genau das, was sie am besten können und zwar packenden Bluesrock. Midnight Rambler ist ein packender, gemäßigter Bluesrocker mit tollen Mundharmonikaeinlagen. You Got The Silver ist ein toller Bluesrocker mit einer tollen Bottleneck-Gitarre. Monkey Man ist ein solider Albumtitel, der zumindestens mich- erst nach mehrmaligen Anhören überzeugt. Als Abschluß eines überzeugenden Albums haben die Stones mit You Cant Always Get What You Want ein besonderes Bonbon zu bieten. Das Stück beginnt mit einem Frauenchor und klingt zunächst gar nicht typisch für Stones, was sie aber im weiteren Verlauf ändert. Musikalisch orientiert sich das Stück an dem aufkommenden amerikanischen Westcoast-Rock. Nicky Hopkins Pianoeinlagen und die teilweise bombastischen Chöre machen das Stück zu einem heimlichen Klassiker der Stones. Als Singleauskopplung war You Cant Always Get What You Want Mitte 1973 (!) ein mittlerer Hit in den US-Charts. Mit Let It Bleed haben die Stones einmal mehr ein fabelhaftes Album ohne Schwachstellen, dafür aber mit einigen Höhepunkten eingespielt. Wer die Stones jener Zeit mag, der wird dieses grandiose Album mit Sicherheit immer wieder gerne hören. Würden die Stones heute ein Album einspielen, das nur so halb so gut wäre wie Let It Bleed, ich würde es mir sofort kaufen. Damals, in ihrer ganz großen Zeit haben die Stones einfach nur geile Musik gespielt, die auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat. |